Angst

Die Angst ist eine große energetische Kraft. Ohne Angst ist unser Leben nicht vorstellbar. Es wird aber immer unsere Aufgabe bleiben, die Angst zu besiegen. Nicht die Angst darf Macht über uns erringen, nicht die Angst uns beherrschen, sondern wir müssen die Angst beherrschen.

Die Angst ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens, ohne Angst könnten wir nicht existieren, die Angst hilft uns, unser Leben zu bewältigen und uns in gewissen Lebenssituationen nicht zu überschätzen, manchmal Vorsicht walten zu lassen und uns nicht unbedacht ins Unglück zu stürzen. Es wäre günstig, die Angst als eine positive Kraft, eine Energie unseres Daseins anzusehen.

Letztlich ist eine Angst immer eine Angst vor dem Neuen, vor dem Ungewissen, vor dem Unbekannten. Immer dann, wenn man nicht weiß (oder nicht zu wissen glaubt), was auf einen zukommt, kann Angst entstehen. Es ist deshalb von großem Vorteil, sich mit der Angst auseinander zusetzen. Wenn man weiß, welche Aufgaben vor einem liegen und wie sie zu bewältigen sind, wird die Angst vor diesem Neuen wesentlich geringer, sozusagen auf ein normales, beherrschbares Maß zurückgedrängt.

Zuviel Angst lähmt und beherrscht unser Denken und Fühlen, es ist deshalb von großer Bedeutung, sich seiner Angst zu stellen. Auch die „Angst vor allem“ und die „Angst vor der Angst“ gehören zu dieser Problematik.

Bei der Einteilung von Angstphänomenen lassen sich vier größere Gruppen überschauen:

Angst vor:

  1. Kritik und Ablehnung,
  2. Einengung der individuellen Freiheit,
  3. Angst vor Verlust (z. B. auch Tod und Trennung)
  4. Angst vor der Angst

Der kleinste gemeinsame Nenner ist stets die Angst vor dem Ungewissen bzw. Unbekannten.

In jedem Falle ist es wesentlich, die Angst zu analysieren, soweit es möglich sein kann. Oft entsteht auch Angst vor dem Unvermeidbaren, zum Beispiel Angst vor dem Tod, aber auch da gilt: es ist im Grunde eine Angst vor dem Ungewissen und Unbekannten. Unbeherrschbare Angst verursacht eine Verwirrung des Denkens, Fühlens und Handelns und setzt uns dieser energetischen Macht aus. Dies zu verhindern und gleichzeitig selbst die Macht, die Oberhand über die Angst zu haben, ist das Ziel.

Oft verbirgt sich hinter einer Angst eine ganz andere, verborgene seelische Problematik, diese gilt es zu erkennen und zu bearbeiten, psychologisch/psychotherapeutische Hilfe ist dabei von Nutzen.

Es ist zwischen spezifischer Angst und unspezifischer, allgemeiner Angst zu unterscheiden.

Ich empfehle folgende Wege und Möglichkeiten zur Bekämpfung der Angst:

 

Bei der spezifischen (phobischen) Angst:

  1. Analyse der Angst

a)     das eigene Ungleichgewicht der Gefühle, der Lebenssituation erkennen und neu bewerten

b)     neue Wege und Möglichkeiten suchen und begehen

  1. Vertiefung von Gefühlen wie Vertrauen, Sinnhaftigkeit, Mut und Hoffnung,
  2. Selbstbewußtsein stärken,
  3. das Üben der angstauslösenden Situationen,
  4. sich der Angst stellen

a)     mit einer Bezugspersonen

b)     mit einem Therapeuten

c)      allein

  1. auch andere angstauslösende Situationen suchen und versuchen, diese zu beherrschen.

 

Bei der unspezifischen (diffusen) Angst:

  1. Versuch die Angst zu verstehen und in einen Gesamtkontext zu stellen,

a)     das eigene Ungleichgewicht der Gefühle, der Lebenssituation erkennen und neu bewerten,

            b) neue Wege und Möglichkeiten suchen und begehen,

  1. Vertiefung von Gefühlen wie Vertrauen, Sinnhaftigkeit, Mut und Hoffnung,
  2. Selbstbewußtsein stärken,
  3. die Scheinwerfer der Wahrnehmung nur leicht verändern, um ein neues Gesamtbild zu erhalten.

 

Bei der spezifischen wie auch bei der unspezifischen Angst ist es hilfreich die sog. „Froschperspektive“ zu verlassen und ein „Luftbild“ zu gewinnen.

 

In gewissen Fällen kann eine begleitende Medikation sinnvoll und nützlich sein und Anstoß zur Veränderung und zur Bewältigung der Angst bieten. Moderne SSRI- Hemmer ( Selektive- Serotonin-Reuptake-Inhibitoren ) wirken günstig und sind ohne Suchtpotential.

Es ist überaus wichtig, jeden einzelnen Menschen in seiner spezifischen Lebenssituation zu verstehen und nichts Unmögliches zu wollen, also ein Augenmaß für das Mögliche zu bewahren. Niemand kann an einer völlig absurden oder nicht zu ihm/ihr passenden Aufgabe üben, seine Angst zu beherrschen.

Ich behandle im Rahmen meiner Praxis in Einzel- und Gruppentherapie spezifische und unspezifische Ängste und führe seit mehreren Jahren spezielle Angstgruppen und Angstseminare durch. Bezüglich der Flugangst finden viermal im Jahr Kleingruppen am Wochenende statt, das Üben der Flugangst erfolgt gegebenenfalls auch in Begleitung.  

Angstbewältigungsstrategien sind:

  1. Analyse der Angst,
  2. Stärkung des Selbstbewußtseins,
  3. Konzentration auf das Wesentliche,
  4. keine 150 %igen  Lösungsversuche,
  5. Ziehen neuer Grenzen,
  6. Gehen neuer Wege,
  7. Mut zur Veränderung,
  8. Selbstentspannungsmethoden,
  9. Hypnose,
  10. wesentlich ist die Erfahrung, daß die Angst zu bewältigen ist und daß sie nachläßt.

 

 

Flugangst

Bezüglich der Flugangst finden viermal im Jahr Kleingruppen jeweils an einem Wochenende in Heidelberg statt, wobei die Teilnehmerzahl bei ca. 4-6 Teilnehmern liegt. Falls Sie sich für eine Teilnahme vormerken lassen möchten, bitte ich um Kontaktaufnahme.

Das Üben der Flugangst erfolgt gegebenenfalls auch in Begleitung, falls es sich um eine akute Notwendigkeit handeln sollen.    

 


F40 - 48 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen


Klinisch-diagnostische Leitlinien

Die neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen wurden wegen des historischen Zusammenhanges mit dem Neurosenkonzept und wegen des beträchtlichen, wenn auch unklaren Anteils psychischer Verursachung in einem großen Kapitel zusammengefaßt. Wie bereits in der allgemeinen Einführung zur ICD 10 bemerkt, wurde das Neurosenkonzept nicht als Organisationsprinzip beibehalten; es wurde jedoch darauf geachtet, daß die Störungen, die manche Benutzer noch immer in ihrer eigenen Terminologie als neurotisch betrachten, leicht zu erkennen sind (vgl. die Bemerkungen zu den Neurosen in der allgemeinen Einführung).

Mischbilder von Symptomen, so am häufigsten das gemeinsame Vorkommen von Depression und Angst, findet man besonders bei den leichteren Formen dieser Störungen in der Primärversorgung. Man sollte sich möglichst für ein vorherrschendes Syndrom entscheiden. Es ist jedoch eine gemischte Kategorie für Fälle gemischter Depression und Angst vorgesehen, bei denen eine Entscheidung künstlich erzwungen erschiene ( F41.2).


F40 phobische Störungen


Klinisch-diagnostische Leitlinien

In dieser Gruppe von Störungen wird Angst ausschließlich oder überwiegend durch eindeutig definierte, im allgemeinen ungefährliche Situationen oder Objekte - außerhalb des Patienten - hervorgerufen. Diese Situationen oder Objekte werden charakteristischerweise gemieden oder voller Angst ertragen. Phobische Angst ist subjektiv, physiologisch und im Verhalten von anderen Angstformen nicht zu unterscheiden und reicht von leichtem Unbehagen bis hin zu panischer Angst. Befürchtungen des Patienten können sich auf Einzelsymptome wie Herzklopfen oder Schwächegefühl beziehen und treten häufig zusammen mit sekundären Ängsten vor dem Sterben, Kontrollverlust oder dem Gefühl, wahnsinnig zu werden, auf. Die Angst wird nicht durch die Erkenntnis gemildert, daß andere Menschen die fragliche Situation nicht als gefährlich oder bedrohlich betrachten. Allein die Vorstellung, daß die phobische Situation eintreten könnte, erzeugt gewöhnlich schon Erwartungsangst.

Das Kriterium, daß das phobische Objekt oder die phobische Situation außerhalb der betreffenden Person liegen, führt dazu, daß viele Ängste, die sich auf das Vorliegen einer Krankheit (Nosophobie) oder eine körperliche Entstellung (Dysmorphophobie) beziehen, jetzt unter F45.2, hypochondrische Störung, klassifiziert werden müssen. Bezieht sich jedoch die Furcht vor Krankheit in erster Linie und wiederholt auf ein mögliches Infektions- oder Vergiftungsrisiko, auf ärztliche Handlungen (Injektionen, Operationen usw.) oder auf medizinische Institutionen (Zahnarztpraxen, Krankenhäuser etc.), dann ist eine Einordnung unter F40 zutreffend (meist F40.2; spezifische Phobie).

Phobische Angst tritt häufig gleichzeitig mit Depression auf. Bereits vorher bestehende phobische Angst verschlimmert sich fast immer während einer zusätzlichen depressiven Episode. Manche depressiven Episoden werden zeitweilig von phobischer Angst begleitet; eine depressive Stimmung findet sich bei einigen Formen von Phobien, besonders der Agoraphobie häufig. Zwei Diagnosen, phobische Angst und depressive Episode, sind erforderlich wenn sich die eine Störung eindeutig vor der anderen entwickelte, und wenn zur Zeit der Diagnosenstellung eine deutlich überwiegt. Bestanden die Kriterien für eine depressive Störung bereits vor den phobischen Symptomen, dann sollte erstere zunächst diagnostiziert werden (vgl. Hinweise in der allgemeinen Einführung).

Die meisten phobischen Störungen, mit Ausnahme der sozialen Phobien, sind bei Frauen häufiger als bei Männern.

In dieser Klassifikation wird eine Panikattacke ( F41.0), die in einer bereits bestehenden phobischen Situation auftritt, als Ausdruck für den Schweregrad der Phobie gewertet, der diagnostischer Vorrang einzuräumen ist. Eine eigentliche Panikstörung soll nur bei Fehlen der unter F40 angeführten Phobien diagnostiziert werden.


F40.0 Agoraphobie


Klinisch-diagnostische Leitlinien

Der Begriff Agoraphobie wird hier in einer weiter gefaßten Bedeutung verwendet als ursprünglich eingeführt und als noch in einigen Ländern üblich. Er bezieht sich jetzt nicht nur auf Ängste vor offenen Plätzen, sondern z.B. auch auf Menschenmengen oder die Schwierigkeit, sich wieder sofort und leicht an einen sicheren Platz, im allgemeinen nach Hause, zurückziehen zu können. Der Terminus beschreibt also eine zusammenhängende und sich häufig überschneidende Gruppe von Phobien, mit der Angst, das eigene Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, sich in eine Menschenmenge oder auf öffentliche Plätze zu begeben oder alleine in Zügen, Bussen oder Flugzeugen zu reisen. Auch wenn der Schweregrad der Angst und das Ausmaß des Vermeidungsverhaltens differieren, ist diese Phobie besonders einschränkend. Einige Betroffene sind schließlich völlig an ihr Haus gefesselt. Viele Patienten empfinden Panik bei dem Gedanken, zu kollabieren und hilflos in der Öffentlichkeit liegen zu bleiben. Das Fehlen eines sofort nutzbaren "Fluchtweges" ist eines der Schlüsselsymptome vieler dieser agoraphobischen Situationen. Überwiegend sind Frauen betroffen, der Beginn liegt meist im frühen Erwachsenenalter. Depressive und zwanghafte Symptome sowie soziale Phobien können zusätzlich vorhanden sein, beherrschen aber das klinische Bild nicht. Ohne effektive Behandlung wird die Agoraphobie häufig chronisch, wenn auch im allgemeinen fluktuierend.

Diagnostische Leitlinien

Für eine eindeutige Diagnose müssen alle folgenden Kriterien erfüllt sein:

1.      Die psychischen oder vegetativen Symptome müssen primäre Manifestationen der Angst sein und nicht auf anderen Symptomen wie Wahn oder Zwangsgedanken beruhen.

2.      Die Angst muß in mindestens zwei der folgenden umschriebenen Situationen auftreten: in Menschenmengen, auf öffentlichen Plätzen, bei Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause oder bei Reisen alleine.

3.      Vermeidung der phobischen Situation muß ein entscheidendes Symptom sein oder gewesen sein.

Das Vorliegen oder Fehlen einer Panikstörung (F41.0) bei der Mehrzahl der agoraphobischen Situationen kann mit der fünften Stelle angegeben werden:

Dazugehörige Begriffe:

Panikstörung mit Agoraphobie

Differentialdiagnose:

Es muß bedacht werden, daß manche Agoraphobiker wenig Angst erleben, da es ihnen ständig gelingt, phobische Situationen zu vermeiden. Auch wenn andere Symptome wie Depression, Depersonalisation, Zwangssymptome und soziale Phobien auftreten, kann diese Diagnose gestellt werden, vorausgesetzt, diese anderen Symptome beherrschen das klinische Bild nicht.

War jedoch der Patient bereits ausgeprägt depressiv, als die phobischen Symptome erstmals auftraten, kann eine depressive Episode die treffendere Hauptdiagnose sein; dies kommt vor allem bei einem späten Beginn vor.

Die Störung ist zu diagnostizieren, wenn folgende Merkmale vorliegen:

I. Deutliche und anhaltende Furcht vor oder Vermeidung von mindestens zwei der folgenden Situationen:

  1. Menschenmengen,

  2. öffentliche Plätze,

  3. allein Reisen,

  4. Reisen, mit weiter Entfernung von Zuhause.

II. Wenigstens einmal nach Auftreten der Störung müssen in den gefürchteten Situationen mindestens zwei Angstsymptome aus der unten angegebenen Liste (eins der Symptome muß eines der Items 1. bis 4. sein) wenigstens zu einem Zeitpunkt gemeinsam vorhanden gewesen sein:

Vegetative Symptome:

  1. Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz,

  2. Schweißausbrüche,

  3. fein- oder grobschlägiger Tremor,

  4. Mundtrockenheit (nicht infolge Medikation oder Exsikkose).

Symptome, die Thorax und Abdomen betreffen:

5. Atembeschwerden,

6. Beklemmungsgefühl,

7. Thoraxschmerzen oder -mißempfindungen,

8. Nausea oder abdominelle Mißempfindungen (z.B. Unruhegefühl im Magen).

Psychische Symptome:

9. Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit,

10. Gefühl, die Objekte sind unwirklich (Derealisation) oder man selbst ist weit entfernt oder "nicht wirklich hier" (Depersonalisation),

11. Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder "auszuflippen",

12. Angst zu sterben.

Allgemeine Symptome:

13. Hitzewallungen oder Kälteschauer,

14. Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle.

III. Deutliche emotionale Belastung durch das Vermeidungsverhalten oder die Angstsymptome; die Betroffenen haben die Einsicht, daß diese übertrieben oder unvernünftig sind.

IV. Die Symptome beschränken sich ausschließlich oder vornehmlich auf die gefürchteten Situationen oder Gedanken an sie.

Ausschlußkriterien:  

Die Symptome des Kriteriums A. sind nicht bedingt durch Wahn, Halluzinationen oder andere Symptome der Störungsgruppen organische psychische Störungen (F00-F09), Schizophrenie und verwandte Störungen (F20-F29), affektive Störungen (F30-F39) oder eine Zwangsstörung (F42) oder sind nicht Folge einer kulturell akzeptierten Anschauung.


F40.1 soziale Phobien


Klinisch-diagnostische Leitlinien

Soziale Phobien beginnen oft in der Jugend, zentrieren sich um die Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen in verhältnismäßig kleinen Gruppen (nicht dagegen in Menschenmengen) und führen schließlich dazu, daß soziale Situationen vermieden werden. Im Unterschied zu den meisten anderen Phobien sind soziale Phobien bei Männern und Frauen gleich häufig. Sie können klar abgegrenzt sein und bespielsweise auf Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit oder Treffen mit dem anderen Geschlecht beschränkt sein. Oder sie sind unbestimmt und treten in fast allen sozialen Situationen außerhalb des Familienkreises auf. Angst, in der Öffentlichkeit zu erbrechen, kommt vor. Direkter Augenkontakt wird in einigen Kulturen als ausgesprochen belastend empfunden. Soziale Phobien sind in der Regel mit einem niedrigem Selbstwertgefühl und Furcht vor Kritik verbunden. Sie können sich in Beschwerden wie Erröten, Händezittern, Übelkeit oder Drang zum Wasserlassen äußern. Dabei meint der Patient manchmal, daß eine dieser sekundären Manifestationen seiner Angst das primäre Problem darstellt. Die Symptome können sich bis hin zu Panikattacken verstärken. In extremen Fällen kann beträchtliches Vermeidungsverhalten schließlich zu vollständiger sozialer Isolierung führen.

Diagnostische Leitlinien

Für eine eindeutige Diagnose müssen alle folgenden Kriterien erfüllt sein:

1.      Die psychischen, Verhaltens- oder vegetativen Symptome müssen primäre Manifestationen der Angst sein und nicht auf anderen Symptomen wie Wahn und Zwangsgedanken beruhen.

2.      Die Angst muß auf bestimmte soziale Situationen beschränkt sein oder darin überwiegen.

3.      Wenn möglich, Vermeidung der phobischen Situation.

Dazugehörige Begriffe:

Anthropophobie

soziale Neurose

Differentialdiagnose:

Agoraphobie und depressive Störungen kommen oft gemeinsam vor, besonders bei Patienten, die schließlich gänzlich an das Haus gefesselt sind. Ist die Unterscheidung zwischen den sozialer Phobie und Agoraphobie sehr schwierig, soll vorzugsweise Agoraphobie diagnostiziert werden. Eine Depression ist nur dann zu diagnostizieren, wenn ein voll ausgebildetes depressives Syndrom eindeutig festzustellen ist.

Die Störung ist zu diagnostizieren, wenn folgende Merkmale vorliegen:

I. Entweder 1. oder 2.:

  1. Deutliche Furcht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten;

  2. deutliche Vermeidung im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder von Situationen, in denen die Angst besteht, sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten.

Diese Ängste treten in sozialen Situationen auf, wie Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit, Begegnung von Bekannten in der Öffentlichkeit, Hinzukommen oder Teilnahme an kleinen Gruppen, wie z.B. bei Parties, Konferenzen oder in Klassenräumen.

II. Mindestens zwei Angstsymptome in den gefürchteten Situationen mindestens einmal seit Auftreten der Störung, wie in F40.0, Kriterium B., definiert, sowie zusätzlich mindestens eins der folgenden Symptome:

  1. Erröten oder Zittern,

  2. Angst zu erbrechen,

  3. Miktions- oder Defäkationsdrang bzw. Angst davor.

III. Deutliche emotionale Belastung durch die Angstsymptome oder das Vermeidungsverhalten. Einsicht, daß die Symptome oder das Vermeidungsverhalten übertrieben und unvernünftig sind.

IV. Die Symptome beschränken sich ausschließlich oder vornehmlich auf die gefürchteten Situationen oder auf Gedanken an diese.

Ausschlußkriterien:  

Die Symptome des Kriteriums A. sind nicht bedingt durch Wahn, Halluzinationen oder andere Symptome der Störungsgruppen organische psychische Störungen (F00-F09), Schizophrenie und verwandte Störungen (F20-F29), affektive Störungen (F30-F39) oder eine Zwangsstörung (F42.-) oder sind nicht Folge einer kulturell akzeptierten Anschauung.


F40.2 spezifische (isolierte) Phobien


Klinisch-diagnostische Leitlinien

Hierbei handelt es sich um Phobien, die auf ganz spezifische Situationen beschränkt sind wie auf die Nähe bestimmter Tiere, Höhen, Donner, Dunkelheit, Fliegen, geschlossene Räume, Urinieren oder Defäzieren auf öffentlichen Toiletten, Verzehr bestimmter Speisen, Zahnarztbesuch, Anblick von Blut oder Verletzungen oder die Furcht, bestimmten Krankheiten ausgesetzt zu sein. Obwohl die auslösende Situation eng begrenzt ist, kann sie wie bei der Agoraphobie oder einer sozialen Phobie Panik auslösen. Spezifische Phobien entstehen gewöhnlich in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter und können unbehandelt jahrzehntelang bestehen. Das Ausmaß der eintretenden Behinderung hängt davon ab, wie leicht die betreffende Person die phobische Situation vermeiden kann. Im Gegensatz zur Agoraphobie wechselt das Ausmaß der Furcht vor dem phobischen Objekt nicht. Strahlenkrankheit und Geschlechtskrankheiten sind häufig Objekt der Krankheitsphobien, in jüngster Zeit auch AIDS.

Diagnostische Leitlinien

Alle folgenden Kriterien müssen für eine eindeutige Diagnose erfüllt sein:

1.      Die psychischen oder vegetativen Symptome müssen primäre Manifestationen der Angst sein und nicht auf anderen Symptomen wie Wahn oder Zwangsgedanken beruhen.

2.      Die Angst muß auf die Anwesenheit eines bestimmten phobischen Objektes oder eine spezifische Situation begrenzt sein.

3.      Die phobische Situation wird - wann immer möglich - vermieden.

Dazugehörige Begriffe:

Akrophobie

einfache Phobie

Examensangst

Höhenangst

Klaustrophobie

Tierphobien

Differentialdiagnose:

Meist fehlen im Unterschied zur Agoraphobie und zu sozialen Phobien andere psychiatrische Symptome. Blut- und Verletzungsphobien unterscheiden sich von anderen, da sie eher zu Bradykardie und manchmal zu Bewußtseinsverlust führen, als zu Tachykardie. Die Furcht vor spezifischen Krankheiten wie Krebs, Herzkrankheit oder Geschlechtskrankheit soll unter der hypochondrischen Störung (F45.2) eingeordnet werden, es sei denn, sie bezieht sich auf eine spezielle Situation, in der eine Krankheit erworben werden könnte. Erreicht die Überzeugung, krank zu sein, wahnhafte Intensität, handelt es sich um eine wahnhafte Störung (F22.0). Patienten, die von einer Abnormität oder einer Entstellung bestimmter Körperteile, häufig im Gesicht (Dysmorphophie) überzeugt sind, die von anderen nicht nachvollzogen werden kann, sind unter hypochondrischer (F45.2) oder wahnhafter Störung (F22.0) zu klassifizieren, abhängig von Stärke und Hartnäckigkeit ihrer Überzeugung.


F41 sonstige Angststörungen


Klinisch-diagnostische Leitlinien

Nicht auf bestimmte Umgebungssituationen begrenzte Angst stellt das Hauptsymptom dieser Störungen dar. Depressive und Zwangssymptome, sogar einige Elemente phobischer Angst können vorhanden sein, vorausgesetzt, sie sind eindeutig sekundär oder weniger ausgeprägt.

 


F41.0 Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst)


Klinisch-diagnostische Leitlinien

Das wesentliche Kennzeichen sind wiederkehrende schwere Angstattacken (Panik), die sich nicht auf eine spezifische Situation oder besondere Umstände beschränken und deshalb auch nicht vorhersehbar sind. Wie bei anderen Angsterkrankungen variieren die Symptome von Person zu Person, typisch ist aber der plötzliche Beginn mit Herzklopfen, Brustschmerz, Erstickungsgefühlen, Schwindel und Entfremdungsgefühlen (Depersonalisation oder Derealisation). Fast stets entsteht dann sekundär auch Furcht zu sterben, vor Kontrollverlust oder Angst, wahnsinnig zu werden. Die einzelnen Anfälle dauern meistens nur Minuten, manchmal auch länger. Häufigkeit und Verlauf der Störung sind ziemlich unterschiedlich. Patienten erleben in einer Panikattacke häufig ein Crescendo der Angst und der vegetativen Symptome, was zu einem meist fluchtartigen Verlassen des Ortes führt. Kommt dies in einer besonderen Situation vor, z.B. in einem Bus oder in einer Menschenmenge, so wird der Patient möglicherweise in Zukunft diese Situation meiden. Auf ähnliche Weise können häufige und unvorhersehbare Panikattacken Angst vor dem Alleinsein oder vor öffentlichen Plätzen hervorgerufen. Einer Panikattacke folgt meist die ständige Furcht vor einer erneuten Attacke.

Diagnostische Leitlinien

Tritt eine Panikattacke in einer eindeutig phobischen Situation auf, wird sie in der vorliegenden Klassifikation als Ausdruck des Schweregrades einer Phobie gewertet, der diagnostisch Priorität eingeräumt wird. Eine Panikstörung soll nur bei Fehlen der unter F40.- genannten Phobien diagnostiziert werden.

Eine eindeutige Diagnose ist nur bei mehreren schweren vegetativen Angstanfällen zu stellen, die innerhalb eines Zeitraums von etwa 1 Monat aufgetreten sind,

1.      in Situationen, in denen keine objektive Gefahr besteht;

2.      wenn die Angstanfälle nicht auf bekannte oder vorhersagbare Situationen begrenzt sind;

3.      zwischen den Attacken müssen weitgehend angstfreie Zeiträume liegen (Erwartungsangst ist jedoch häufig).

Dazugehörige Begriffe:

Panikattacke

Panikzustand

Differentialdiagnose:

Die Panikstörung muß von Panikattacken bei bekannter Phobien, wie bereits ausgeführt, unterschieden werden. Panikattacken können besonders bei Männern im Zusammenhang mit depressiven Störungen auftreten; wenn die Kriterien für eine depressive Störung erfüllt sind, soll eine Panikstörung nicht als Hauptdiagnose erscheinen.

 

I. Wiederholte Panikattacken, die nicht auf eine spezifische Situation oder ein spezifisches Objekt bezogen sind und oft spontan auftreten (d.h. die Attacken sind nicht vorhersagbar). Die Panikattacken sind nicht verbunden mit besonderer Anstrengung, gefährlichen oder lebensbedrohlichen Situationen.

II. Eine Pankikattacke hat alle folgenden Charakteristika:

a. es ist eine einzelne Episode von intensiver Angst oder Unbehagen;

b. sie beginnt abrupt;

c. sie erreicht innerhalb weniger Minuten ein Maximum und dauert mindestens einige Minuten.

d. Mindestens vier Symptome der unten angegebenen Liste, davon eins von den Symptomen 1. bis 4. müssen vorliegen:

Vegetative Symptome:

1. Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz,

2. Schweißausbrüche,

3. fein- oder grobschlägiger Tremor,

4. Mundtrockenheit (nicht infolge Medikation oder Exsikkose).

Symptome, die Thorax und Abdomen betreffen:

5. Atembeschwerden,

6. Beklemmungsgefühl,

7. Thoraxschmerzen und -mißempfindungen,

8. Nausea oder abdominelle Mißempfindungen (z.B. Unruhegefühl im Magen).

Psychische Symptome:

9. Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit,

10. Gefühl, die Objekte sind unwirklich (Derealisation) oder man selbst ist weit entfernt oder "nicht wirklich hier" (Depersonalisation),

11. Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder "auszuflippen",

12. Angst zu sterben.

Allgemeine Symptome:

13. Hitzegefühle oder Kälteschauer,

14. Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle.

III. Häufigstes Ausschlußkriterium: Die Panikattacken sind nicht Folge einer körperlichen Störung, einer organischen psychischen Störung (F00-F09) oder einer anderen psychischen Störung wie Schizophrenie und verwandten Störungen (F20-29), einer affektiven Störung (F30-39) oder einer somatoformen Störung (F45).

F41.00

mittelgradige Panikstörung: mindestens vier Panikattacken in vier Wochen

F41.01

schwere Panikstörung: mindestens vier Panikattacken pro Woche über einen Zeitraum von vier Wochen


F41.1 generalisierte Angststörung


Klinisch-diagnostische Leitlinien

Das wesentliche Symptom ist eine generalisierte und anhaltende Angst, die aber nicht auf bestimmte Situationen in der Umgebung beschränkt oder darin nur besonders betont ist, d.h. sie ist frei flottierend. Wie bei anderen Angststörungen sind die hauptsächlichen Symptome sehr unterschiedlich, aber Beschwerden wie ständige Nervosität, Zittern, Muskelspannung, Schwitzen, Benommenheit, Herzklopfen, Schwindelgefühle oder Oberbauchbeschwerden gehören zu diesem Bild. Häufig werden Befürchtungen geäußert, der Patient selbst oder ein Angehöriger könnten demnächst erkranken oder verunglücken, sowie eine große Anzahl anderer Sorgen und Vorahnungen. Diese Störung findet sich häufiger bei Frauen, oft in Zusammenhang mit langdauernder Belastung durch äußere Umstände. Der Verlauf ist unterschiedlich, tendiert aber zu Schwankungen und Chronifizierung.

Diagnostische Leitlinien

Der Patient muß primäre Symptome von Angst an den meisten Tagen, mindestens mehrere Wochen lang, meist mehrere Monate, aufweisen. In der Regel sind folgende Einzelsymptome festzustellen:

1.      Befürchtungen (Sorge über zukünftiges Unglück, Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten usw);

2.      motorische Spannung (körperliche Unruhe, Spannungskopfschmerz, Zittern, Unfähigkeit, sich zu entspannen);

3.      vegetative Übererregbarkeit (Benommenheit, Schwitzen, Tachykardie oder Tachypnoe, Oberbauchbeschwerden, Schwindelgefühle, Mundtrockenheit etc).

Bei Kindern herrschen oft das häufige Bedürfnis nach Beruhigung und wiederholte somatische Beschwerden vor.

Ein vorübergehendes Auftreten anderer Symptome während jeweils weniger Tage, besonders von Depression, schließt eine generalisierte Angststörung als Hauptdiagnose nicht aus. Der Betreffende darf aber nicht die vollständigen Kriterien für eine depressive Episode (F32.-), phobische Störung (F40.-), Panikstörung (F41.0) oder Zwangsstörung (F42.-) erfüllen.

Dazugehörige Begriffe:

Angstneurose

Angstreaktion

Angstzustand

Ausschluß:

Neurasthenie (F48.0)

 

Mindestens vier Symptome der unten angegebenen Liste, davon eins von den Symptomen 1. bis 4. müssen vorliegen:

Vegetative Symptome:

1. Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz,

2. Schweißausbrüche,

3. fein- oder grobschlägiger Tremor,

4. Mundtrockenheit (nicht infolge Medikation oder Exsikkose).

Symptome, die Thorax und Abdomen betreffen:

5. Atembeschwerden,

6. Beklemmungsgefühl,

7. Thoraxschmerzen und -mißempfindungen,

8. Nausea oder abdominelle Mißempfindungen (z.B. Kribbeln im Magen).

Psychische Symptome:

9. Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche und Benommenheit,

10. Gefühl, die Objekte sind unwirklich (Derealisation) oder man selbst ist weit entfernt oder "nicht wirklich hier" (Depersonalisation),

11. Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder "auszuflippen",

12. Angst zu sterben.

Allgemeine Symptome:

13. Hitzegefühle oder Kälteschauer,

14. Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle.

Symptome der Anspannung:

15. Muskelverspannung, akute und chronische Schmerzen,

16. Ruhelosigkeit und Unfähigkeit zum Entspannen,

17. Gefühle von Aufgedrehtsein, Nervosität und psychischer Anspannung,

18. Kloßgefühl im Hals oder Schluckbeschwerden.

Andere unspezifische Symptome:

19. übertriebene Reaktionen auf kleine Überraschungen oder Erschrecktwerden,

20. Konzentrationsschwierigkeiten, Leeregefühl im Kopf wegen Sorgen oder Angst,

21. anhaltende Reizbarkeit,

22. Einschlafstörungen wegen der Besorgnis.


F41.2 Angst und depressive Störung, gemischt


Klinisch-diagnostische Leitlinien

Diese Kategorie soll bei gleichzeitigem Bestehen von Angst und Depression Verwendung finden, jedoch nur, wenn keine der beiden Störungen ein Ausmaß erreicht, das eine entsprechende einzelne Diagnose rechtfertigen würde. Zeigt sich schwere Angst mit einem geringeren Anteil von Depression, muß eine der anderen Kategorien für Angst oder phobische Störungen verwendet werden. Treten beide Syndrome in so starker Ausprägung auf, daß beide einzeln kodiert werden können, soll diese Kategorie nicht verwendet werden. Falls aus praktischen Gründen nur eine Diagnose möglich ist, ist der Depression Vorrang zu geben. Einige vegetative Symptome wie Tremor, Herzklopfen, Mundtrockenheit, Magenbeschwerden usw. müssen zumindest vorübergehend vorhanden sein. Diese Kategorie soll nicht verwendet werden, wenn es sich nur um Besorgnis oder übertriebene Bedenken ohne vegetative Symptome handelt. Wenn die Symptome, die die Kriterien für diese Störungen erfüllen, in enger Verbindung mit außergewöhnlichen Lebensveränderungen oder belastenden Lebensereignissen auftreten, ist die Kategorie Anpassungsstörungen (F43.2) zu verwenden.

Patienten mit dieser Kombination verhältnismäßig milder Symptome werden in der Primärversorgung häufig gesehen. Noch viel häufiger finden sie sich in der Bevölkerung, ohne je in medizinische oder psychiatrische Behandlung zu gelangen.

Diagnostische Leitlinien:

1.      Vorhandensein von Angst und Depression in leichter oder mittlerer Ausprägung, ohne Vorherrschen des einen oder anderen.

2.      Zumindest vorübergehendes Auftreten von vegetativen Symptomen.

3.      Die Symptome erfüllen nicht die Kriterien einer Angststörung oder einer depressiven Episode.

Dazugehörige Begriff:

leichte oder nicht anhaltende ängstliche Depression

Ausschluß:

anhaltende ängstliche Depression (Dysthymia, F34.1)


F41.3 sonstige gemischte Angststörungen

 

Klinisch-diagnostische Leitlinien

Diese Kategorie soll für Störungen verwendet werden, welche die Kriterien für eine generalisierte Angststörung (F41.1) erfüllen und gleichzeitig deutliche (aber häufig nur kurzzeitig andauernde) Merkmale anderer Störungen aus dem Kapitel F40-F48 zeigen, aber die Kriterien für diese Störungen nicht vollständig erfüllen. Die häufigsten Beispiele hierfür sind die Zwangsstörung (F42.-), dissoziative Störungen (F44.-), Somatisierungsstörung (F45.0), undifferenzierte Somatisierungsstörung (F45.1) und hypochondrische Störung (F45.2). Wenn die Symptome dieser Störung in enger Verbindung mit außergewöhnlichen Lebensveränderungen oder belastenden Lebensereignissen auftreten, ist die Kategorie Anpassungsstörungen (F43.2) zu verwenden.


F41.8 sonstige spezifische Angststörungen


Klinisch-diagnostische Leitlinien

Dazugehörige Begriffe:

Angsthysterie