Krankheitsverarbeitung

 

Die seelische Verarbeitung chronischer, möglicherweise sogar lebensbedrohlicher Erkrankungen bzw. entsprechender ernster Diagnosen ist eine wichtige Aufgabe, mit  der sich die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens auseinandersetzen müssen. Dabei geht es einerseits um „Strategien“, die bei der Bewältigung von krankheitsbedingten Folgeerscheinungen helfen können (zum Beispiel Selbsthilfegruppen, Informationen sammeln, aber auch mitmenschliche Kontakte knüpfen oder gesunde Ablenkung im Alltag finden); andererseits gehören hierzu aber auch unbewußte innerseelische Verarbeitungsprozesse, die vor allem den aufkommenden Gefühlen, wie etwa Ängsten, Zorn, Verzweiflung und Trauer gelten. Beide Bereiche können durch eine begleitende Psychotherapie unterstützt werden. Letztlich geht es darum, mit der Krankheit leben zu können, wieder einen Sinn zu finden, Krankheit „als eine Weise des Menschseins“ (v. WEIZSÄCKER) in sein Leben integrieren zu können.

Die Art und Weise, wie die seelische Verarbeitung einer Erkrankung oder einer ernsten Diagnose gelingt, hat entscheidenden Anteil an der weiteren Lebensqualität eines Patienten. Oft sind die seelischen Folgeerscheinungen einer mißlungenen oder einseitigen bzw. ins Stocken geratenen seelischen Verarbeitung sogar zeitweise mehr beeinträchtigend als das eigentliche körperliche Leiden. Dabei ist die Wichtigkeit der seelischen Verarbeitungsprozesse prinzipiell davon unabhängig, ob es sich um eine „körperliche“, eine „psychosomatisch“ entstandende oder auch eine „seelische“ (z.B. Psychose) Erkrankung handelt – in allen Fällen wird die bisherige Unbeschwertheit und in unserer Gesellschaft oft vorhandene Gedankenlosigkeit durchbrochen und die Krankheit zwingt den Betroffenen, sich die Begrenztheit jeden  Lebens bewußt zu machen, vielleicht auch sich Sinnfragen zu stellen. Manchmal kann eine Erkrankung, so verstanden, auch eine Chance sein, über sich nachzudenken und aktiv die eigene Lebensführung in die Hand zu nehmen.